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«Dem Menschen sind in seiner Vorstellung keine Grenzen
 
gesetzt ausser denen, die er sich selbst setzt
 
Richard F. Estermann

Der «einfache» Wunsch des Sissa Ibn Dahir

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Portrait Richard Estermann

Ist Ihnen auch schon passiert, dass Sie eine scheinbar ganz einfache Sache krass unterschätzten? Ein gutes Beispiel dafür ist die indische «Reiskornlegende».

Der weise Inder Sissa Ibn Dahir, der im 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus lebte, gilt als Erfinder des Schachspiels. Das einzigartige Brettspiel mit seinen 64 Feldern eroberte im Laufe der Zeit die gesamte Welt und ist auch heute noch für die intelligentesten Spieler eine echte Herausforderung. Auch der König Sher Khan war davon begeistert und er wollte den Brahmanen belohnen, indem er ihn um einen Wunsch bat, den er dann gerne erfüllen werde, – wie ausgefallen er auch sei.

Nach einer Bedenkzeit von einem Tag, äusserte der Erfinder Sissa Ibn Dahir folgenden Wunsch: Der König möge sein Schachbrett, das 64 Felder umfasst, mit Reiskörnern füllen. Er möge aber immer auf jedes folgende Feld, die doppelte Anzahl Körner legen. Also auf dem 1. Feld ein Korn, auf dem 2. Feld zwei Körner, auf dem 3. Feld vier, auf dem 4. Feld acht, auf dem 5. Feld sechzehn und so weiter bis 64. Der König war erstaunt aber auch etwas erbost darüber, dass der Erfinder einen derart «einfachen» Wunsch äusserte... Er gab aber den Befehl, die Reiskörner bereit zu stellen. Bis zum 15. Feld, mit 16'384 Körnern, sah alles noch «überschaubar» aus, doch dann zeigte die exponentielle Steigerung ihre Wirkung. Der König musste nämlich einige Zeit später vernehmen, dass Sissa Ibn Dahir seine Belohnung noch nicht erhalten habe, weil im gesamten Reich nicht genügend Reiskörner dafür vorhanden wären. König Sher Khan bestellte darauf seinen Hof-Mathematiker und dieser erklärte ihm, dass auch sämtliche Reislager der Welt nicht ausreichen würden, um den Wunsch des Erfinders zu erfüllen. Die Geschichte nahm unheimliche Züge an und der König ahnte, dass er den Wunsch seines Untertanen nicht erfüllen kann...

Mathematiker zahlreicher Universitäten haben in der Neuzeit ausgerechnet, wie viele Reiskörner tatsächlich auf dem gesamten Schachbrett liegen würden, nämlich 18'446'744'073'709'551'615 Stück. In Worten: 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend, 615. Es wurde auch das Gewicht der Reiskörner auf dem Schachbrett berechnet. Bei einem Gewicht von 0,03 Gramm pro Reiskorn ergeben sie alle zusammen ein Gewicht von ca. 277 Milliarden Tonnen. Es handelt sich hier um Zahlen, die sonst nur in der Astronomie geläufig sind. Deshalb zum besseren Verständnis: In einem Eisenbahnwagen haben rund 30 Tonnen Reiskörner Platz. Alle Reiskörner auf dem Schachbrett zusammen ergäben danach 11'282'412'277 Eisenbahnwagen voll Reis.

Dieses exponentielle Wachstum kennen wir in mehreren Bereichen, beispielsweise das Viren- Wachstum in der Medizin bei einer Epidemie. Aber auch Forschung und Technik kennen dieses explosive Entwicklungstempo, – denken wir nur an die Informatik.