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«Dem Menschen sind in seiner Vorstellung keine Grenzen
 
gesetzt ausser denen, die er sich selbst setzt
 
Richard F. Estermann

Übersättigung

Ich sitze vor dem Fernsehgerät: Leichtathletik- Europameisterschaften in Barcelona. Es geht Schlag auf Schlag: 200m Finale/Herren, 400m Finale/Damen, 110m Hürden Finale/Herren, 3000m Hindernis/Damen, 800m Finale/Damen, 1500m Finale/Herren. Dazu Hammerwerfen, Hochsprung, Dreisprung, Speerwerfen, Zehnkampf... Das alles innert wenigen Stunden,- ohne Atempause.

Ich hole mir ein Getränk aus dem Kühlschrank und frage mich plötzlich: Wie war das jetzt noch? Wie hiess eigentlich der Sieger über 200m und wer war an zweiter Stelle? Zu meinem Entsetzen muss ich gestehen, dass ich mich bereits nach etwas mehr als einer Stunde nicht mehr daran erinnern konnte! Durch den rasanten Ablauf der vielen Disziplinen und der Überfülle von Informationen, wurde mein Gehirn offensichtlich überfordert...

Am anderen Tag führte ich einige Gespräche mit Kollegen. Sie bestätigten mir die gleichen Erfahrungen. Wir Menschen sitzen vor dem Flimmerkasten und wissen schon nach kurzer Zeit nicht mehr, was wir konsumierten. Der „Genuss" derartiger Fernseh-Anlässe - mit einer Vielzahl von Disziplinen in einem kurzen Zeitraum - sind schlecht für den Sport. Sie führen nämlich beim Zuschauer zu einer Überforderung und Übersättigung! Auch im Schwimmsport ist die Vielzahl der Disziplinen für den Laien fast unüberschaubar. Die einzelnen Sparten werden dadurch abgewertet und das ist sehr schade. Hier hilft nur eines: Weniger ist mehr!

Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei der ANZAHL der Sport-Anlässe zu beobachten: Immer mehr Turniere im Tennis und bei den alpinen Disziplinen immer mehr Weltcup-Rennen. Durch die Vielzahl der Veranstaltungen und Disziplinen, findet eindeutig eine Abwertung dieser Events statt.

Wie war das noch in den 60er-Jahren? Nicht alle Familien konnten sich damals ein eigenes TV-Gerät leisten. Auch wir nicht. Ich erinnere mich gut, wie die ganze Familie zu Fuss ins Dorf pilgerte, um Mitte Januar in einem Restaurant die Lauberhorn-Abfahrt Life im TV zu sehen. Das war damals ein Gross-Ereignis! Alle wollten bei diesem Anlass dabei sein. Im Saal des Restaurants waren ca. 40-50 Personen vor einem Fernsehgerät versammelt, welches etwas erhöht aufgestellt wurde. Die Zuschauer, in einer gespannten Erwartungshaltung und guter Laune, konsumierten entsprechend... Es kam die grosse Zeit von Collombin, Klammer & Co.

Es ist schon klar: Spitzensport ist auch ein grosses Geschäft und jeder grössere Sport- oder Ferienort möchte eine eigene Veranstaltung durchführen. Aber durch die andauernde Kommerzialisierung zur „Massenware", erweisen sie dem Sport einen Bärendienst. Deshalb nochmals: Weniger wäre mehr!